Christine Faßnacht (Leiterin Content Marketing der DKB), Betti Pabst (Geschäftsführerin CAA Berlin) und Tina Sauerländer (künstlerische Leiterin des VR KUNSTPREIS) erläutern hier, wie es zu der Zusammenarbeit kam und was sie sich von der Etablierung des jungen Kunstpreises erhoffen.
In Deutschland gibt es bereits zahlreiche Kunstpreise, die sich auf zeitgenössische Kunst, Medienkunst und regionale Kunstförderung fokussieren. Wie grenzt sich hierzu der VR KUNSTPREIS der DKB in Kooperation mit CAA Berlin ab? Und welche Bedeutung hat der VR KUNSTPREIS für die deutsche VR-Kunstszene?
Christine Faßnacht: Der Preis grenzt sich allein schon durch seinen Schwerpunkt ab. Virtual Reality als künstlerisches Medium ist noch jung und entwickelt sich dank einer experimentierfreudigen Generation von Künstler*innen rasch weiter. Diese aufregende Entwicklung möchten wir fördern und zur strukturellen Etablierung des künstlerischen Mediums VR beitragen.
Als digitale Bank fühlen wir uns der digitalen Kunst natürlich besonders verbunden! Den von uns auserwählten VR-Künstler*innen wollen wir mehr Sichtbarkeit verleihen und sie mit den Arbeitsstipendien auch finanziell unterstützen.
Tina Sauerländer: Mit Virtual Reality haben bildende Künstler*innen erstmals in der Kunstgeschichte die Möglichkeit, vollständig immersive Illusionsräume zu schaffen, womit sie auf Traditionen wie die Erfindung der Zentralperspektive in der westlichen Malerei, Mimesis und Trompe-l’oeuil-Malerei rekurrieren und diese fortsetzen. Zudem arbeiten sie in einem Raum, in dem physikalische Gesetze wie die Schwerkraft nicht gelten. Materialität, Bewegung, Räumlichkeit – all das kann völlig neu erdacht werden. Dieses große Potential von Virtual Reality hat bisher in Deutschland noch nicht genug Aufmerksamkeit erfahren bzw. wurde es noch nicht ausreichend dargestellt und diskutiert.
Der hochdotierte VR KUNSTPREIS rückt nun dieses einmalige künstlerische Medium in den Vordergrund und macht es durch die Ausstellung „Resonanz der Realitäten“ (16.04. - 04.07.21) im HaL) einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Er stellt damit eine bisher einmalige Art der Förderung für in Deutschland lebende VR-Künstler*innen dar und verhilft der blühenden VR-Kunstszene zu der ihr gebührenden Aufmerksamkeit.
Und zu guter Letzt: In einer Zeit, in der Kurator*innen über Nachhaltigkeit und den ökologischen Fußabdruck von Ausstellungen diskutieren, zeigt die Ausstellung des VR KUNSTPREIS ausschließlich ortsspezifische Installationen von in Deutschland lebenden Künstler*innen, so dass Transport- und Reisekosten auf ein Minimum reduziert werden. Es geht hier also auch darum, ein Modell aufzuzeigen, wie Ausstellungen künftig nachhaltiger realisiert werden könnten.
Wie ist die Idee für einen VR-Kunstpreis entstanden? Und wie habt ihr zueinander gefunden?
Christine Faßnacht: Seit etwas mehr als 4 Jahren sind wir als Sponsorin der CAA Berlin aktiv, denn sie ist eine wichtige Plattform für privates Engagement zur Förderung zeitgenössischer Kultur in Berlin. Als Bank beschäftigt uns der digitale Wandel schon lange. 2000 gründeten wir die erste Internetbank ohne Filialen. Auch ist Nachhaltigkeit ein elementarer Bestandteil unseres Geschäftsmodells. Wir vergeben Kredite für nachhaltige Branchen und Projekte in Deutschland und verzichten ganz bewusst auf Investment Banking und die Förderung umstrittener Wirtschaftsaktivitäten. Mit diesem Selbstverständnis geht einher, dass wir gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und vielversprechende Entwicklungen am Puls der Zeit fördern möchten.
Unsere Kunstbegeisterung wollten wir nun in ein feines Projekt mit klarem Fokus einbringen. Daher stand recht früh fest, dass wir den VR KUNSTPREIS gemeinsam mit der CAA Berlin auf die Beine stellen werden. Das Schöne dabei ist, dass wir uns hier perfekt ergänzen: Die CAA bringt als Partnerin ihr Netzwerk und das Kunstbetriebs-Knowhow mit, und wir als Bank die Leidenschaft, Neues zu gestalten und dabei auch mal fernab des Mainstreams zu denken bzw. zu fördern.
Betti Pabst: Wir als CAA Berlin sind sehr glücklich darüber, die DKB als wichtige finanzielle Partnerin auf unserer Seite zu wissen, die uns auch bei der Umsetzung neuer Programmformate unterstützt! Durch Stipendien, Projektförderungen und Ausstellungsprojekte ist es uns möglich, im privaten Sektor einen kleinen Anteil zur Erhaltung einer lebendigen, vielfältigen und jungen Kulturszene zu leisten.
In unserer gemeinsamen Arbeit hat sich das Interesse der DKB an digitaler Kunst verstärkt. Während wir uns zu Beginn der Kooperation auf Veranstaltungen in der Bank selbst konzentrierten, kam 2019 der Wunsch seitens der DKB auf, sich in einem Förderprogramm intensiver dem Thema digitaler Kunst zu widmen und ein eigenes Projekt mit Fokus auf digitalen Kunstformaten ins Leben zu rufen. So entstand die gemeinsame Idee des Kunstpreises mit angegliedertem Stipendienprogramm. Die CAA hilft hier vor allem durch ihre lange Erfahrung in der Stipendienvergabe und ihre Kontakte in die Kunstwelt, auf die wir für den VR KUNSTPREIS zurückgreifen können, um die richtigen Partner*innen für die Ausschreibung, Vergabe und Ausstellung zu finden.
So kam es auch zur Zusammenarbeit mit Tina Sauerländer und zur Fokussierung auf VR-Kunst. Tinas Arbeit als Kuratorin für digitale Kunst und Expertin für VR begleiten wir schon eine ganze Weile, daher haben wir sie für unser Vorhaben gewinnen können. Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit mit ihr im Rahmen dieses großartigen Projektes.
Tina, du bist Kunsthistorikerin, Autorin und Mitbegründerin der unabhängigen Ausstellungsplattform „peer to space“, die sich auf digitale Kunst spezialisiert hat. Wie kam es zu deiner Begeisterung für das Kunstmedium Virtual Reality?
Tina Sauerländer: Im Herbst 2015 rief mich ein befreundeter Künstler an, Philip Hausmeier, mit dem ich zusammen 2 Jahre später Radiance gründen sollte. Seine Skulpturen hatte ich 2013 in der Ausstellung „Entering Space“ gezeigt. Schon damals versuchte er, mit physischem Material die Illusion einer Oberfläche hinter der eigentlichen Oberfläche zu erzeugen. Am Telefon sagte er mir, dass er jetzt Skulpturen in Virtual Reality mache und bat mich vorbeizukommen.
Kaum im Headset abgetaucht, fand ich mich in einem schwarzen Raum mit riesigen leuchtenden geometrischen Körpern und schillernden Oberflächen wieder. Was mich am meisten an diesem immersiven Erlebnis beeindruckte, war, dass ich die Dimensionen der Objekte wie in der Realität mit dem eigenen Körper vermessen konnte, statt sie nur auf einem Bildschirm abzuschätzen. Das ist für mich auch heute noch die wichtigste Eigenschaft von VR. Um sie zu verstehen, ist es unabdingbar, sich ein Headset aufzusetzen und die Erfahrung selbst zu erleben!
Mich hat die Faszination seitdem nicht mehr losgelassen. Bald darauf bekam ich dank Sabine Himmelsbach, die auch eine der Juror*innen für den VR KUNSTPREIS war, die Gelegenheit, eine erste große Museumsausstellung zum Thema Virtual-Reality-Kunst zu kuratieren. Im Januar 2017 eröffnete dann „Die ungerahmte Welt“ am Haus der elektronischen Künste Basel. In der internationalen Gruppenausstellung waren damals auch die VR KUNSTPREIS Stipendiat*innen Banz & Bowinkel mit ihrer allerersten VR-Arbeit „Mercury“ dabei. Seit der Baseler Ausstellung habe ich viele weitere VR-Ausstellungen mitkuratiert – in Köln, Washington DC, Barcelona und New York. Ich freue mich nun besonders, endlich auch in meiner derzeitigen Heimatstadt mit dem VR KUNSTPREIS eine große VR-Ausstellung realisieren zu dürfen.
Tina, du bist auch Mitbegründerin der internationalen Rechercheplattform „Radiance“ für VR-Experiences in der bildenden Kunst, die über 160 künstlerische VR Experiences dokumentiert. Du kennst dich also gut aus. Haben dich die Einreichungen für den VR Kunstpreis dennoch überrascht?
Tina Sauerländer: Auch, wenn ich dank Radiance und meiner kuratorischen Tätigkeit in der deutschen und internationalen VR-Kunstszene sehr gut vernetzt bin, habe ich während der letzten Monate dank des VR KUNSTPREIS sehr viele neue, spannende VR-Kunstwerke von in Deutschland lebenden Künstler*innen entdeckt. Es ist großartig zu sehen, dass nun auch Nachwuchs von den Kunstuniversitäten kommt und, dass viele talentierte und international bekannte VR-Künstler*innen in Deutschland leben und arbeiten!
Die Auswahl der fünf Stipendiat*innen wurde durch eine namhafte und renommierte Fachjury getroffen. Wie lief das ab?
Betti Pabst: Wir haben uns sehr über die hohe Anzahl und die Qualität der Bewerbungen für die Arbeitsstipendien des VR KUNSTPREIS gefreut. Insgesamt konnten wir 104 Einreichungen verzeichnen! Die Sichtung der Bewerbungen gewährte uns einen umfassenden Einblick in die ästhetischen, thematischen und technischen Felder, mit denen sich die Künstler*innen momentan beschäftigen. Die Vielfalt des künstlerischen Ausdrucks und die Intensität der Kunsterfahrung durch VR als junge Kunstform hat uns sehr beeindruckt.
Mit der Auswahl der unbestritten hochkarätigen Fachjury haben wir dem Preis eine gewisse Stellung innerhalb der Welt der VR-Kunst gesichert, was vor allem unsere Künstler*innen freut. Die Jury wird die Ausstellung und die Finalist*innen zudem weiter begleiten. Genau wie alle Finalist*innen waren bzw. werden auch alle Jury-Mitglieder in unserem Podcast „Virtuell Virtuos“ zu Gast sein. Auch sind „Artist Talks“ geplant, und sicher werden sich die Arbeiten auch in der einen oder anderen Ausstellung oder auf Festivals zu VR-Kunst wiederfinden.
Wir planen zudem ein zusätzliches Rahmenprogramm zur Ausstellung, um VR-Kunst auch einer Zielgruppe nahezubringen, die noch nicht so tief in der Materie ist.
Ab dem 26.03.2021 (sofern es die Corona-Situation zulässt) ist das Publikum im Haus am Lützowplatz in Berlin eingeladen, die Arbeiten der fünf Stipendiat*innen in einer immersiven Ausstellung zu erleben und mit der VR-Brille zu erkunden. Vor welche besonderen Herausforderungen stellt euch die Präsentation der VR-Kunstwerke?
Tina Sauerländer: In der Ausstellung „Resonanz der Realitäten“ in der großen Galerie des Haus am Lützowplatz werden die VR-Arbeiten in große, ortsspezifische Installationen der Künstler*innen eingebettet. Ihre virtuellen Ideen finden ein Echo im realen Ausstellungsraum. Dieser wiederum ist ein sozialer Ort, an dem die Besucher*innen ihre Eindrücke austauschen und diskutieren können.
Als Kuratorin möchte ich die verbindenden Elemente der sehr unterschiedlichen Arbeiten hervorheben und aufzeigen, wie sie unser Dasein im Spiegel neuer Technologien reflektieren. Es geht darum, wie Mensch und Maschine miteinander kommunizieren, wie sie aufeinander reagieren und welche Formen der Kommunikation und Beziehungen dabei entstehen können.
Genau wie die Berliner Museen wird auch diese Ausstellung ausschließlich mit vorher online gebuchten Zeitfenster-Tickets besucht werden können. Damit gewährleisten wir die Erfüllung der Hygiene-Vorschriften, eine fachgerechte Desinfektion der VR-Headsets und eine gute Betreuung unserer Besucher*innen bei ihrem Ausflug in die virtuellen Realitäten.